Die Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr Nordwestschweiz bedankt sich für die Einladung zum o.g. Vernehmlassungsverfahren und nimmt zu den Zielsetzungen des Leitbildes wie folgt Stellung:
Grundsätzlich sind die Vorgaben im Gegenvorschlag zur Städteinitiative klar formuliert. Die Massnahmen zu deren Umsetzung wurden im Grossen Rat beschlossen. Für ein über mindestens 15 Jahre behördenverbindliches Strategiepapier vermissen wir die zeitliche Staffelung der Umsetzung dieser Massnahmen. Vor diesem Hintergrund bleibt der Sinn dieses Leitbildes unklar. Mit Befremden und grossem Bedauern nimmt die IGöV zur Kenntnis, dass die Regierung den gesetzlichen Auftrag nicht erfüllen kann. Das Verkehrsleitbild setzt sich zum Ziel, den Verkehrsplan 2001 zu aktualisieren. Es beschreibt geplante Vorhaben, zu erarbeitende Konzepte und nötige Richtplanänderungen. Konkrete, zeitnahe Umsetzungsschritte insbesondere mit den Nachbargemeinden fehlen. In der Übersicht des Massnahmenplans werden nur zukünftige Massnahmen ab 2015 genannt. Was ist mit den laufenden Projekten und den bisher abgeschlossenen? In den vergangenen 15 Jahren wurden jedoch bereits zweistellige Millionenbeträge für die öV-Beschleunigung durch Priorisierung an LSA und Ausbau von Busspuren (zB Holeestrasse) aufgewendet. Stattdessen sieht das Leitbild nun eine Aufhebung getrennter Fahrspuren, Einrichtung von Mischverkehrsspuren und Verlangsamung des öV vor! Dafür wird im Leitbild ein „Masterplan Fuss- und Veloverkehr" favorisiert. Das ist eine kontraproduktive, weil einer ganzheitlichen Umweltverbundpolitik zuwiderlaufende Politik. Die Schritte zur Reduktion des MIV um 10% bis 2020 sind konsequenter anzugehen. Verkehrspolitische Ziele Strassenverkehr Die Erkenntnis aus den Verkehrsplanungen der 1990er Jahre ist, dass die Kapazität der Hochleistungsstrassen mit der Eröffnung der Nordtangente wegen des zunehmenden Quell-Zielverkehrs nicht ausreicht und Verkehrsstaus in der HVZ Normalität sind. Trotzdem hält das Leitbild an einer Verlagerung des MIV auf die HLS fest. Wie damit eine Verschiebung des Modalsplits zugunsten des Umweltverbunds realisiert werden soll, ist unklar. Die Attraktivität des MIV wird doch nur noch weiter erhöht, zumal der strassengebundene öV durch die Zunahme der Verkehrsstaus immer unzuverlässiger und unattraktiver wird, wie die Auswertungen der Pünktlichkeit der Transportunternehmen zeigen. Zielführend ist eine Strassenbenutzungsgebühr - wie in anderen europäischen Städten bereits üblich - im Leitbild aufzunehmen und weiter zu verfolgen. Bezüglich einzelner HLS-Ausbauprojekte verzichten wir hier auf eine weitere Ausführung. Hinsichtlich eines Verkehrsmanagementsystems erscheint uns merkwürdig, dass ein Studienauftrag (S. 4) für ein regionales und länderübergreifendes Verkehrsmanagement angekündigt wird, obwohl das ASTRA bereits solche Studien durchgeführt hat. Angezeigt ist doch vielmehr eine sofortige Umsetzung eines solchen Verkehrsmanagements, zumal über 40'000 Anwohner entlang der Hauptverkehrsachsen in Birsfelden, Breite, Lehenmatt und Kleinbasel teilweise täglich betroffen sind. Gleichzeitig existiert die Autobahn A98 Rheinfelden-Lörrach, die eine regionale Entlastung der Basler Osttangente ist, und die gemäss Bundesverkehrswegeplan 1999 zu den hochprioritären Bundesautobahnprojekten zählte. Sie wird jedoch heute nur als regionale Ortsumfahrung von Rheinfelden und Lörrach zugelassen aufgrund eines Vertrags, den die Zollbehörden und die regionalen Anrainer beschlossen hatten. Dies ist wohl einmalig in Europa, weil eine mit deutschen (und schweizerischen?) Zuschüssen finanzierte grenzüberschreitende Autobahn nicht für den überregionalen und Fernverkehr freigegeben ist. Es ist deshalb dem regionalen Verkehrsmanagement (hier S. 15 und 16) einen höheren Stellenwert einzuräumen und kurzfristig die Freigabe der A98 mit Anschluss Rheinfelden als Bypass des Basler Nadelöhrs umzusetzen. Öffentlicher Verkehr Wir vermissen ein aktives Engagement des Kantons bei der Umsetzung von öV-Projekten. Insbesondere nach der Ablehnung des Tramabschnitts Erlenmatt im Mai ist das Tramnetz 2020 ein gefährdeter Pfeiler der nachhaltigen Basler Verkehrspolitik. Teilprojekte wie der Margarethenstich, welches ab Bottmingen zwischen 10-25% Reisezeitverkürzungen und neue umsteigefreie Relationen in der Stadt Basel bringt, besonders zum Bhf. SBB und zu den Arbeitsplätzen in Kleinbasel, sowie das Tram-30 und das Roche-Tram müssen zügiger angegangen und realisiert werden. Sonst ist die Chance für das Rückgrat eines modernen öV-Netzes nicht gegeben. Basel-Stadt muss dabei offensiv und transparenter als beim Tram Erlenmatt vorgehen, so wie dies Bern, Zürich und Genf bei Neubauprojekten seit längerem uns vormachen. Dies gilt auch für die Buslinie 30, welche aufgrund der wachsenden Fahrgastfrequenzen (heute schon vergleichbar mit Linie 15) dringend durch ein Tram ersetzt werden muss. Das im Leitbild kurz erwähnte „Herzstück" ist in das städtische öV-Verkehrskonzept einzubinden und sollte mit den Ausbaustufen des Tramnetzes 2020 bereits als intermodale Knotenpunkte kommuniziert werden. Umgekehrt sind auf neue Linienführungen - etwa der Buslinie 36 im Gundeldingen via Tellplatz - wegen der Fahrzeitverlängerungen zu verzichten, wenn dadurch der Nutzen als attraktive Tangentiallinie verloren geht. Auf allen mehrspurigen Abschnitten sind separate Busspuren einzurichten, um die Priorität des öV während der Verkehrsspitzen zu gewährleisten. Das sind Forderungen der IGöV, die teilweise vor zwanzig Jahren realisiert worden sind und heute durch die derzeitige Politik wieder rückgängig gemacht werden. Der Umweltverbund funktioniert nur, wenn die öV-Reisezeiten kürzer sind als die des Fussgänger- und Veloverkehrs. Basel Stadt hat bereits die niedrigsten Tramdurchschnittsgeschwindigkeiten. Die vorgesehenen Massnahmen der Entschleunigung führen zu einer Bestrafung der öV-Kunden, obwohl in der Kundenzufriedenheitsstudie 2013 die Merkmale „Netzqualität" und „Zuverlässigkeit", worunter auch die „Fahrzeit" fällt, für die öV-Kunden in Basel massgebend sind. Periphere P&R-Anlagen für den Umstieg auf den öffentlichen Verkehr sind zu fördern. Parkraumangebot Grundsätzlich begrüsst die IGöV das bestehende Parkraumkonzept und die Umzonung der weissen in blaue Parkplätze. Mit der Erhöhung von Parkgebühren zur Reduktion der MIV-Nachfrage soll nicht bis zur vollständigen Umsetzung gewartet werden. Fuss- und Veloverkehr Neuralgische Schwerpunkte des Langsamverkehrs sind bekannt und wären mit einigen punktuellen Planungen lösbar. Absurd erscheint uns die Bemerkung, der Langsamverkehr trägt zur Entlastung des öV-Angebots während der Stosszeiten bei. Die in Stosszeiten entstehenden Überlastungen treten vor allen Dingen durch die Unregelmässigkeit des öV auf, die insbesondere in der letzten Zeit augenfällig geworden ist. Zentrale attraktive Abstellanlagen für die Velos und Zugänge zu den öV-Haltestellen sind nötig, um den Umweltverbund zu stärken. City-Logistik Erste Vorschläge zur Citylogistik sind in den 1990er Jahren bereits eingebracht worden. Offenbar nahm die Verkehrsplanung des Kantons bisher kaum Notiz davon. Die IGöV empfiehlt einen ganzheitlichen Ansatz zur Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Frachtlogistik im Stadtgebiet prüfen; beispielsweise eine Umstellung der Citylogistik auf elektrogetriebenen Lieferwagenverkehr im autofreien Innenstadt-Bereich. Monitoring Insbesondere Massnahmen zu ungunsten des öV, Mischspuren auf Ausfallachsen, sind neu mit Vor- und Nachher-Fahrzeitmessungen zu überprüfen, ob die neu eingeführten Mischtrassen überhaupt für den öV von Nutzen sind. Finanzielle Auswirkungen Die Kosten für die Infrastruktur werden für alle Gemeinden eine Herausforderung. Das Leitbild listet zwar eine Vielzahl von Massnahmen und im Anhang einen Aktionsplan auf, wie sich der Kanton bis 2030 verkehrspolitisch entwickeln soll (S.15). Über die finanziellen Auswirkungen für den Kanton ist jedoch dem Leitbild nur zu entnehmen, dass es den Kanton „mehrere Milliarden Franken" kosten könnte. Unser Fazit: Das Leitbild ist zu überarbeiten und mit detaillierteren Kostenschätzungen sowie zeitlicher und politischer Priorisierung der Massnahmen zu ergänzen. Die Bemerkung „zur gegebener Zeit und auf dem ordentlichen Weg" (letzter Absatz S. 32) lasse sich das verkehrspolitische Leitbild umsetzen, ist rätselhaft. Insgesamt fehlen uns Aspekte zum länderübergreifenden Verkehrsleitmanagement. über Aussagen zur Priorisierung des öV an Lichtsignalanlagen. zur grenzüberschreitenden Abstimmung bei der Tarifierung des öV. Hier kann der Kanton nicht bis 2020 warten, sondern muss pro aktiv tätig werden. „Entwicklungsplan Leimental – Birseck - Allschwil"
Sehr geehrte Damen und Herren Wir danken Ihnen für die Möglichkeit, an der o.g. Vernehmlassung teilzunehmen. Als IGöV beschränken wir unsere Stellungnahme weitgehend auf das Thema öffentlicher Verkehr. 1. Stossrichtungen Umbau bzw. Ausbau Die Variante Umbau rechnet mit 5'500 zusätzlichen Arbeitsplätzen und 7'700 zusätzlichen Einwohnern im Planungsperimeter; bei der Variante Ausbau sind es dagegen nur 2'000 Arbeitsplätze und 2'900 Einwohner, also weniger als die Hälfte der Variante Umbau. Bei den Kosten (Seite 41 der LR-Vorlage) sieht es dagegen umgekehrt aus: die Wachstumsvariante Umbau kostet 790 Mio., die moderate Variante Ausbau jedoch mit 1'800 Mio. mehr als doppelt soviel. Die Mehrkosten hängen auch mit öV-Massnahmen wie der Verlängerung des Trams 2 nach Bottmingen, der Verlängerung der Linie 8 nach Allschwil und einer Tramverbindung von Reinach nach Dornach zusammen. Diese Ausbauten brächten zweifellos einen grösseren Nutzen bzw. Ertrag, wenn gleichzeitig Arbeitsplätze und Einwohner stärker zunähmen. Angesichts des wachsenden Druckes der Bevölkerungszunahme sollte aus raumplanerischer und verkehrlicher Sicht ein starkes Wachstum in einem mit öV gut erschlossenen Gebiet im Vordergrund stehen, d.h. eine Kombination von teureren Verkehrsmassnahmen (Variante Ausbau) mit einem hohen Wachstum (Variante Umbau). Aus dieser Optik erscheint es uns unverständlich, nicht nachvollziehbar und paradox, dass dem Landrat vorgeschlagen wird, die teurere Variante Ausbau mit geringem Wachstumspotential zu wählen. 2. Tramtunnel Bottmingen – Binningen Dieser Tunnel soll dazu dienen, den Strassenraum neu und grosszügiger zu gestalten. Aus Sicht IGöV ist festzuhalten, dass der Tunnel, abgesehen von der Doppelspur zwischen Binningen und Bottmingermühle, den öV-Kunden keine Vorteile, sondern eher Nachteile, bringt: Die Fahrzeit dürfte gleich bleiben (heute bereits eigenes Trasse mit absoluter Priorität des Trams an den Lichtsignalen) Zugangszeit zu den Haltestellen im Tunnel wird grösser Falls diese sehr teure Massnahme beschlossen werden sollte, darf sie auf keinen Fall als Massnahme zur Verbesserung des öV verkauft werden. Die Investitionen dürfen auch nicht dem öV angelastet werden (oder höchstens in Höhe des Doppelspuranteiles). 3. Strassentunnels im Raum Allschwil – Binningen – ABAC bzw. MFP Es ist unbestritten, dass diese Tunnels in ihrem Einzugsbereich zu einer hohen Abnahme des Individualverkehrs führen werden. Die IGöV kann solche Tunnels als Ersatz- nicht aber als Zusatzkapazität akzeptieren. Dementsprechend verlangt die IGöV in den entlasteten Bereichen flankierende Massnahmen zugunsten des öV wie Tram- und Busspuren, Priorität des öV an Lichtsignalen, Verkehrsberuhigung und Verkehrsregimeänderungen (Durchgangsverkehr soll zu den Tunnels geleitet werden, entlastete Strassen nur noch für Ziel- und Quellverkehr öffnen). 4. Trassesicherung äussere Tangente Basel (Südumfahrung) Da die Linienführung der Südumfahrung zahlreiche sehr stark genutzte Naherholungsgebiete tangiert, ist eine unterirdische Führung zwingend, was aber die Kosten ins Unermessliche ansteigen lässt. Von ihr sind aus unserer Sicht unerwünschte Siedlungsimpulse in Gebieten mit schlechter öV-Anbindung zu befürchten. Bisherige Berechnungen haben zudem ergeben, dass diese Achse erstaunlich wenig Verkehr anzieht. Aus all diesen Gründen lehnen wir die Südumfahrung grundsätzlich ab. |
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Die Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr Nordwestschweiz ist ein politisch neutraler Verein, dessen Mitglieder sich aktiv dafür einsetzen, dass die bestehenden guten Angebote im Bereich des öV weiter ausgebaut und bestehende Lücken geschlossen werden. Archiv
September 2022
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